Nach einigen "Learning-by-Designing"-Fortbildungen für deutsche Umweltbildner (in Kooperation mit dem DIE sowie dem Förderverein Jugendkunst aus Stralsund, siehe www.die-frankfurt.de/clear/MM/ sowie www.umweltschulen.de/net/naturerf.html) hatte ich im Mai 2002 die Gelegenheit, in Beijing einen Workshop "Multimedia in der Umweltbildung" für chinesische Lehrer mit zu gestalten. Darüber möchte ich hier berichten. (Einige der Einschätzungen zur Anwendbarkeit multimedialer Methoden entstammen auch aus der Diskussion mit Lehrern in Chongqing und Shenyang.)
Arbeit im Plenum
Bei der Vorstellungsrunde am Beginn (oben) Teilnehmer führen Interviews auf dem Campus durch (unten) An verschiedenen Stellen auf dem Campus der Normal Capital University finden sich Hinweise zum Umweltschutz (oben und unten). Rasensprengen - ein heikles Thema im trockenen Beijing. Arbeit im Computerkabinett (oben und unten) |
Organisiert wurde die Veranstaltung vom CEEC in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung. Etwa 25 Lehrerinnen und Lehrer aus Beijing sowie mehreren chinesischen Provinzen beteiligten sich. Der Workshop fand in der Capital Normal University statt. Die Teilnehmer absolvierten folgendes Programm:
Der Workshop für Lehrer hatte nur vor dem Hintergrund Sinn dass die Schulen in China auf dem Wege sind, sich mit Computertechnik und Internetzugängen auszurüsten. Dabei gibt es jedoch erhebliche Unterschiede zwischen Stadt und Land, zwischen den moderner entwickelten Ostprovinzen und den rückständigeren Westprovinzen sowie zwischen wohlhabenden und weniger wohlhabenden Schulen (abhängig davon, ob die Schule zusätzlich zur staatlichen Finanzierung Schulgeld erheben kann bzw. ob sie zu einem wirtschaftlich starken Unternehmen gehört). Die 31. Mittelschule in Shenyang mit ca. 2.000 Schülern verfügt z.B. über ein Computer-Klassenzimmer mit 60 PCs (das entspricht der üblichen Klassenstärke!) und einen Lehrer-Raum mit 40 PCs. In solchen Schulen ist dann z.B. auch die Aula / der Konferenzraum mit Beamer ausgestattet... Am anderen Ende der Skala liegen Schulen, die bei gleicher Klassenstärke nur über eine Handvoll Computer verfügen.
Es gibt eine ganze Reihe von chinesischen Websites, in welchen für Umweltbildungszwecke recherchiert werden kann. Sie werden von staatlichen Einrichtungen wie dem CEEC, Nichtregierungsorganisationen oder auch von Schulen betreut (kommentierte Linkliste in Englisch als pdf-Datei zum Download, 133 kB). Das Internet ist in China im Prinzip frei zugänglich, zumindest in den großen Städten gibt es öffentliche Internetcafés, in denen ich problemlos auch ausländische Seiten aufrufen konnte. Die Normal Capital University in Beijing hatte - intern - in dem uns zur Verfügung gestellten Computerkabinett den Zugang zu ausländischen Websites gesperrt.
Die Einrichtung offener Diskussionsforen ist in China (zumindest für staatliche Einrichtungen) noch immer heikel. Eine deutsche Kollegin ist derzeit dabei, eine Homepage für das CESDDRC zu erstellen, sie will dort ein offenes Forum integrieren, muss das gesamte Vorhaben aber von der übergeordneten Behörde genehmigen lassen.
Ein konkretes praktisches Ergebnis des Workshops ist jedoch die Gründung einer Umweltbildungs-E-Mail-Liste, die zunächst die Teilnehmer umfasst, künftig aber ausgeweitet werden soll.
Umweltpädagogische Spiel- oder Simulationssoftware ist in China noch nicht verfügbar. Die im Workshop vorgestellten Programme "Die Suche nach dem Uhps", "SIM Park" und "ecopolicy" stießen auf großes Interesse und wurden - bei allen berechtigten Vorbehalten gegen Umweltbildung am Computer - von den Teilnehmern als hervorragende Hilfe eingeschätzt. Dennoch wäre eine bloße Übersetzung ausländischer Programme nicht ausreichend - so thematisiert z.B. "SIM Park" die Gesetzmäßigkeiten in Ökosystemen in Nordamerika. Eine (zunächst fiktive) chinesische Variante sollte auch auf der inhaltlichen Seite den Bezug zu China haben.
Beim "Learning by Designing" sollten die Gruppen ihr Umweltthema selbst bestimmen. Drei der vier Gruppen wählten verschiedene Facetten zum Thema "Umweltschutz auf dem Campus" (auf welchem der Workshop stattfand), die vierte das Thema "Handy und Umwelt". Im Vergleich zu den Workshops, die ich in Deutschland mitgestaltet habe, fiel mir auf, wie selbstverständlich die Teilnehmer Interviews (Studenten, Universitätsverwaltung) in ihre Recherchearbeit einbezogen haben. Die Gruppen hatten sich zwar einerseits einen Exkursions- und Interview-Leitfaden vorbereitet, sie waren aber auch flexibel genug, um auf unvorhergesehene Ereignisse und Erkenntnisse zu reagieren.
Drei der Gruppen erstellten eine PowerPoint-Präsentation, die vierte eine Website. Dabei konnten die hervorragenden Computerkenntnisse einiger Teilnehmer zutage treten. Die Gruppen arbeiteten sehr effizient und arbeitsteilig. Der Spaß am kreativen Gestalten war offensichtlich. In dieses Bild passt eine Teilnehmerin, die am ersten Seminartag ihre Schul-Homepage vorgestellt hatte - am dritten Tag konnte sie uns bereits darauf hinweisen, dass dort ein Foto integriert worden war, das sie beim Seminar aufgenommen und ihren Kollegen als Bilddatei zugeschickt hatte.
Obwohl drei der vier Gruppen fast das gleiche Thema gewählt hatten, wurden bei der Umsetzung verschiedene Schwerpunkte gewählt und es entstanden ganz individuelle Präsentationen, welche die Licht- und Schattenseiten beleuchteten. Als glücklich erwies sich dabei der Umstand, dass der Campus tatsächlich viel Stoff für unseren Workshop hergab (sowohl respektable Umweltleistungen als auch deutliche Schwachstellen).
Die Teilnehmer schätzten ein, dass die Methode modern ist und gut zu ihren pädagogischen Zielvorstellungen von einem aktiven entdeckenden, forschenden Lernen passt (im Gegensatz zum traditionellen chinesischen Rollenverständnis, wonach der Lehrer der Meister ist, der sein Wissen an den Schüler weitergibt). Sie wiesen aber auch auf Probleme der Anwendung in der Schule hin. In Klassen, in denen ein Lehrer 50-60 Schüler unterrichtet, würde das Webdesigning in Kleingruppen organisatorisch an Grenzen stoßen. Auch die derzeit noch mangelhafte Computer-Ausstattung vieler Schulen wurde beklagt.
Trotz dieser Probleme: Das vorhandene Potenzial - die hochgradig engagierten und technisch versierten Lehrerinnen und Lehrer, die Bereitschaft zum Aufbau eines Informationsnetzwerkes, die an vielen Stellen entstehenden Umwelt-Websites - gibt zu der Hoffnung Anlass, dass auch in China die Möglichkeiten der Multimediatechnik Schritt für Schritt intensiver für die Umweltbildung genutzt werden.
Der Optimismus, der aus dem oben stehenden Bericht spricht, bedarf einer Relativierung. Dazu folgender Literaturtipp:
"Der größte Teil der Weltbevölkerung muss ohne neue Medien auskommen", so die zentrale Aussage des o.g. Beitrages. Der "digitale Graben" wird demnach u.a. durch folgende Fakten markiert:
Als Wege zu einer besseren Versorgung werden in dem Zeitschriftenbeitrag diskutiert:
Wer sich tiefer interessiert, dem sei das o.g. Heft empfohlen, das noch mehrere weitere Beiträge zu diesem Themenschwerpunkt enthält!
14.2.2005: Der Informationsdienst internet.com berichtet, dass in China über 12.000 Internetcafés geschlossen wurden - welche für viele Menschen bislang noch die einzige Zugangsmöglichkeit zum Internet darstellen.