Umwelt-Lernorte in Beijing
Der Milu-Park

Der Milu-Park liegt einige Kilometer außerhalb Beijings.
Es war früher ein kaiserliches Jagdgehege. Seit 1985 werden
hier Milus (eine Hirschart - Pere Davids Deer) gezüchtet.
Diese Art galt in China seit 1900 ausgerottet und ist erst seit
den 80er Jahren wieder über England und Japan nach China
eingeführt worden.
Heute wird das Gelände als Naturpark für die Umweltbildung
genutzt. Guo Geng, Aktivist bei Friedns of Nature (FON), bietet
hier altersgerechte Führungen für Kinder auf einem eigens
dafür eingerichteten Lehrpfad an. Die Kinder können
nicht nur eine Herde Milus beobachten, sondern auch andere Tiere
kennen lernen. Während der Führung setzen sie sich mit
dem Wert von Feuchtgebieten und dem ökologischen Fußabdruck
auseinander, und sie können ihre Umweltkenntnisse an kleinen
Aufgaben testen. Auch Herausforderungen zur körperlichen
Betätigung sind in den Lehrpfad integriert.
Bei der Führung kamen auch kritische Aspekte wie die Haltung
zu vieler Tieren auf begrenztem Raum (was im Park der Fall ist)
und die Verseuchung des Grundwassers durch eine benachbarte Mülldeponie
zur Sprache.


Ein
seltsames Tier ist auf einer Tafel zu sehen; die Kinder sollen
herausfinden, aus welchen Tieren es besteht.

An
einer anderen Stelle ist ein großes
Dominospiel aus Betonkacheln aufgebaut; eine lange Reihe
umfallender Steine (rechts). Jeder bereits umgefallene Stein
ist einer ausgestorbenen (ausgerotteten) Tierart gewidmet.
Einige Steine stehen noch, die drei letzten tragen die Aufschriften
"Mensch", "Maus" und "Kakerlake".
Die Weiße-Wolken-Schule
Die Grundschule Bai Yun Lu (Weiße-Wolken-Straße)
ist eine Beijinger Vorzeige-Schule in Sachen Umweltbildung,
obwohl sie sich erst seit 1999 engagiert. Die Schule arbeitet
in der Environmental Educators Initiative mit; Schwerpunkte
sieht der Schulleiter im Unterricht, im vorbildlichen Verhalten
der Lehrer, im außerunterrichtlichen Lernen wie z.B.
Exkursionen in die Natur sowie in der Einbeziehung des Wohnumfeldes.
1999 hat die Schule zum Earth-Day ein Stadtteilfest organisiert,
zu dem 1000 Schüler und 2000 Erwachsene kamen.

Überregional bekannt ist die Schule jedoch vor allem
wegen ihres Umweltkabinetts "green education centre".
Mit ca. 1000 m² nimmt es das gesamte oberste Stockwerk
ein. Der Besucher kommt zunächst an einem großen
Globus (Eine Welt) vorbei. Danach erwarten ihn u.a.
- ein grüner Flur (im Urwald-Look angestrichen),
- ein grünes Kino,
- zwei Labors für kindgerecht einfache Experimente,
- eine Werkstatt (u.a. Papierschöpfen, hier werden
auch Stoffbeutel gefertigt, welche an Schüler und
Eltern verteilt werden, um die übermäßige
Verwendung von Plastiktüten einzudämmen),
- ein Seminarraum sowie
- ein Wasser-Raum (sehr anschauliche Schautafeln)

Das Umweltkabinett wird sehr rege auch von Externen genutzt,
als wir die Schule besuchten, waren dort gerade ca. 100 Schüler
aus Singapur zu Gast.
Zwei Voraussetzungen für die Einrichtung dieses Umweltkabinetts
sind zu nennen.
- Finanziert wurde es von der Stadtbezirksverwaltung,
diese hat 500.000 Yuan investiert (ein Yuan wird gegen
0,30 DM getauscht, aber für die Chinesen mit ihrem
geringeren Einkommen hat der Yuan den gleichen Wert wie
bei uns eine DM).
- Dass die Schule eine ganze Etage für das Umweltkabinett
frei hatte, ist ein Resultat der Ein-Kind-Politik, mit
der die Volksrepublik China ihre Bevölkerung stabilisieren
will. Dass wir in Deutschland insgesamt zu wenige Kinder
haben und dass ich drei Kinder haben darf, war für
meine chinesischen Kollegen schwer zu verstehen
Die He Ping Li Schule
Diese Schule in Beijing ist eine Mittelschule mit Internat. 1998
haben hier die Schulleiterin sowie einige Lehrer die Initiative
zur Umweltbildung ergriffen. Sie haben eine Umweltgruppe als feste
Organisationsstruktur gegründet. Ca. 200 Schüler (1/3
der unteren Mittelstufe) haben sich angemeldet (natürlich
sind nicht bei jeder Aktivität alle dabei). Die Umweltgruppe
engagiert sich in der Abfallsammlung (Sammlung im Wohngebiet,
Verkauf der gesammelten Wertstoffe) und in der Öffentlichkeitsarbeit.
Bereits zweimal hat die Schule eine Umwelt-Zeitung herausgegeben
(Auflage 2.000 bzw. 3.000 Exemplare).
Nach Unterrichtsschluss wird kontrolliert, ob die Lampen
ausgeschaltet sind. Hat dies eine Klasse vergessen, so
wird sie mit einem gelben Aufkleber an der Tür verwarnt; im Wiederholungsfall gibt
es einen roten Aufkleber und eine Rüge der Schulleiterin.
Bei beiden Schulen war bemerkenswert, dass sich die Schulleiter
sehr stark für die Umweltarbeit engagierten - eine wesentliche
Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit.
Der Botanische Garten
Beijings Botanischer Garten liegt am nordöstlichen
Rande der Stadt. Er wurde 1956 gegründet und umfasst
etwa 400 ha, von denen 200 für die Besucher zugänglich
sind.

Der Garten ist in mehrere thematische Bereiche
aufgeteilt. Besonders beeindruckend ist das im Jahr 2000
eingeweihte große moderne Gewächshaus, in dem
verschiedene Vegetationszonen der Erde nachgebildet sind.

Auf dem Glände des Botanischen Gartens
befindet sich auch der Gebäudekomplex des Wofo Tempel
(Tempel des Schlafenden Buddha, Foto unten links). Er ist
ursprünglich
in der Tang Dynastie (618-907) erbaut worden, wurde jedoch
in späteren Dynastien umgestaltet. Seinen Namen hat
er nach einer großen bronzenen Statue, welche den schlafenden
Buddha darstellt.
Unten Rechts ein Blick in den Koniferen-Bereich
des Botanischen Gartens.

China Museum for Science and Technology
Mit dem China Museum for Science and Technology konnte ich
einen weiteren modernen und attraktiven Lernort besichtigen.
Hier stehen Umweltaspekte nicht im Vordergrund, sind aber
wohl integriert. Das Museum besticht durch die vielfältigen
Möglichkeiten zum aktiven Lernen (selber machen statt
nur zuschauen!) und durch anschauliche Präsentationen.
Ich konnte hier z.B. sehen bzw. erleben:
- eine Hochspannungs-Funken-Show;
- zwei gut 20 m voneinander entfernte große Parabolspiegel;
was ein Mensch im Brennpunkt des einen Spiegels spricht,
kann ein anderer Mensch im Brennpunkt des zweiten Spiegels
sehr gut verstehen;
- einen zum Benutzen einladenden Hometrainer vor einem
halbdurchlässigen Spiegel; in diesem Spiegel sieht
sich der Radfahrer - er sieht gleichzeitig ein Skelett
Hometrainer fahren und kann somit die Bewegung der Knochen
beobachten;
- eine Kamera, mit deren Hilfe man vom eigenen Gesicht
ein Infrarotbild anfertigen konnte; dieses konnte sofort
anschließend auf einem Monitor betrachtet werden;
- einen elektrischen Dirigenten mit einem elektrischen
Orchester;
- ein Transrapid-Model

Einige Gedanken zum Schluss
Insgesamt bin ich begeistert von dem fachlichen Austausch, der
innerhalb meines drei Wochen umfassenden Aufenthaltes möglich
wurde. Dies betrifft nicht nur die Umwelt-Lernorte, die wir besichtigt
haben; es betrifft auch das Interesse, die Aufgeschlossenheit
und die Erfahrungen der chinesischen wie deutschen Kollegen, die
ich in Beijing und Shanghai kennen gelernt habe.
Vieles, was die chinesischen Referenten vorgetragen haben, z.B.
zur Agenda 21 und dem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung, wird
auch in Deutschland nicht wesentlich anders reflektiert. Umweltbildung
in China soll die Herausbildung von Schlüsselqualifikationen
unterstützen. Sie soll die Gestaltung des Unterrichts, der
Schulumwelt und des Schulmanagements beinhalten. Methodisch gibt
es vielfältige Erfahrungen (aus den Vorträgen sowie
den Diskussionsbeiträgen der Teilnehmer), z.B.:
- forschendes Lernen, selbst Probleme suchen, finden und lösen
- Exkursionen, Untersuchungen in der Natur
- Gruppenarbeit
- Pro-/Contra-Diskussion
- Schüler unterrichten (Lehrer unterstützt nur)
- Wettbewerb
- Umfrage
- Schüler verarbeiten Umweltthemen künstlerisch (Musik,
Zeichnen, Gedichte, Cartoons, Schulzeitung)
- Planspiel
- Simulation
- Spiel.
Mir stellte sich die Frage, ob wir (z.B. die Seminarteilnehmer
in Beijing) eine Elite sind bzw. wie weit die referierten theoretischen
und praktischen Ansätze bereits in der Bildungspraxis des
riesigen Landes mit seinen
- 181.136 Kindergärten
- 582.291 Grundschulen
- 77.213 Mittelschulen
- ca 1.000 Universitäten
- und 725.631 Einrichtungen für die Erwachsenenbildung
(Angaben für das Jahr 2000 nach Statistischem Jahrbuch)
verankert sind (auch in Deutschland gibt es ja von Schule zu
Schule erhebliche Unterschiede im Niveau der Umweltbildung). Ich
habe versucht, darüber mit chinesischen Seminarteilnehmern
und später auch mit Schülern zu diskutieren, bekam hierbei
aber kaum Kritik zu hören.
So musste ich mir meine eigenen Gedanken machen, z.B. wenn ich
sah, dass gute chinesische bzw. aus dem Englischen übersetzte
Umweltbildungsbücher, die im CESDRRC in der Bibliothek stehen,
eine Auflage von 2-3.000 Exemplaren haben (bei 650.000 Schulen!).
Die Deutschen, mit denen ich ins Gespräch gekommen bin, äußerten
sich kritischer als die chinesischen Kollegen. Eva Sternfeld vom
CESDRRC schätzte u.a. ein, dass sich Umweltbildung landesweit
bisher überwiegend auf wenige Schwerpunkte wie z.B. Baumpflanzaktionen
oder die Altstoffsammlung konzentriert.
Es lohnt sich sicher, die Verbreitung der bestehenden guten Ansätze
in diesem riesigen Land zu unterstützen! Der Workshop in
Beijing (mitsamt der nachfolgend vom CEEC realisierten Internet-Publikation
und der von den Teilnehmern eingerichteten E-Mail-Liste) sowie
die Einweihung des Umweltmobils in Shanghai waren dafür nützliche
kleine Schritte.
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