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Unesco-Dekade

VR China: Ein Blick in die Umwelt

Immer wieder während meines dreiwöchigen Aufenthaltes ist mir aufgefallen, dass ich Land, Menschen und Umweltbildung mit zwei verschiedenen deutschen Augen sehe: mit dem des Bundesbürgers, der ich heute bin - und mit dem des DDR-Bürgers, der ich zuvor 25 Jahre lang war. Beide Augen sehen Bekanntes, aber auch Neues.

Beijing: Eingang zur Verbotenen Stadt   Beijing (Peking): Verbotene Stadt   Beijing: Ein traditionelles Wohnviertel
Beijing

Dem DDR-Auge bekannt erscheinen das große Portrait des Parteiführers am Platz des Himmlischen Friedens (aber nur dort), die (wenigen) roten Fahnen, Schüler mit Pionierhalstüchern, Schüler, die im Auftrag ihrer Schule durch ihr Wohngebiet streifen und Altpapier sowie andere verwertbare Abfälle sammeln, um diese dann zu verkaufen.

Die Mauer bei Mutianyu   Die Mauer (The Great Wall) bei Mutianyu
Umgebung von Beijing

Wer so blickt, ist andererseits erstaunt, wie offen Umweltfragen und -probleme im kommunistischen China heute diskutiert werden können; als Beispiele mögen dienen:

  • die Arbeit unabhängiger internationaler wie nationaler Umweltorganisationen,
  • die große öffentliche Umweltbibliothek in Beijing,
  • die Veröffentlichung von Umweltdaten im Internet (nebst dem freien Zugang zu Informationen im World Wide Web in den vielen öffentlichen Internetcafés),
  • die Möglichkeit, inhaltlich frei den Workshop zur Umweltbildung in Beijing zu realisieren.

Das sind Rahmenbedingungen, von denen wir Umweltbewegten in der DDR bestenfalls geträumt haben. (Was aber werder die Grenzen der Umwelt-Öffentlichkeit noch die Chinesische Historie der vergangenen Jahrzehnte beschönigen soll!)

Das bundesrepublikanische Auge sieht - mit Beijing und Shanghai - pulsierende Metropolen (beide mit jeweils ca. viermal so vielen Einwohnern wie Berlin). Beide Städte wachsen in rasantem Tempo nach innen und außen; großflächige Wohngebiete mit 20- und 30-geschossigen Bauten entstehen an den Stadträndern; innerstadts muss Altes Neuem weichen, stehen dadurch traditionelle Wohnhäuser (einstöckig in Beijing und drei- bis vierstöckig in Shanghai) und neue Geschäftshäuser unmittelbar nebeneinander.

Shanghai: Pearl-Tower   Bürohochhaus in Shanghai   Shanghai Stadtansicht
Shanghai

Es sieht z.B. Verkehrsprobleme, die - vor allem in Shanghai - denen westlicher Städte vergleichbar sind. Beijing hat den Verkehr noch halbwegs im Griff, es gibt regelmäßig Staus, aber da die Straßen breit und großzügig ausgebaut sind und da noch die wenigsten Einwohner eigene Autos haben, empfinde ich die Verkehrssituation gerade noch als erträglich. Fahrräder spielen eine große Rolle. Die Busse sind billig aber innerstadts oftmals überfüllt. Es gibt eine U-Bahn, aber sie besteht nur aus einem Ring um das Zentrum herum und einer Ost-West-Linie. Beijing soll ca. 70.000 Taxen haben. Für die Zukunft, wenn sich mehr Menschen hier Wohlstand erarbeiten und sich eigene Autos leisten, wird all das nicht reichen; der öffentliche Nahverkehr müsste dringend ausgebaut werden. Shanghai ist dichter bebaut, die Straßen sind enger, der Verkehr ist belastender, der Smog im feuchtwarmen Frühsommer allgegenwärtig. (Aber auch in Beijing habe ich in 14 Tagen keinen wirklich klaren Himmel gesehen.)

Luftbelastung Beijing - Shanghai
 
Staub
SO2
Beijing
377
90
Shanghai
246
53
Berlin
50
18
empfohlener (maximaler) Richtwert WHO
90
50
Angaben in Mikrogramm pro Kubikmeter. Datenbasis 1995. Quelle: geographie heute 190 (2001) S. 45

Shanghai: Alt und Neu   Shanghai
Shanghai

Shanghai: Schiffe beim Abfalltransport auf dem HuangpuAbfall ist allgegenwärtig. Der Verbrauch von Verpackungen - vor allem Plastiktüten und -flaschen - ist beachtlich. Die Abfallentsorgung kostet den Bürger nichts. Es gibt nicht, wie in der Bundesrepublik, Systeme zur getrennten Sammlung verwertbarer Abfälle. Allerdings lebt eine Schicht armer Menschen davon, Plastikflaschen und andere Wertstoffe aus Papierkörben und von den Straßen zu sammeln und zu verkaufen. Wo Häuser abgerissen werden, sind Menschen zu sehen, welche die noch brauchbaren Ziegelsteine recyceln. Was übrig bleibt, wird jedoch in die Landschaft gekippt und planiert. Wer z.B. aus Beijing ins Umland hinein fährt, wird immer wieder Stellen sehen, wo Bauschutt und Plastiktüten ganz deutlich auf diese Praxis hinweisen. In Shanghai konnte ich einen Verbund von Lastkähnen sehen, die Abfall aus dem Stadtzentrum flussaufwärts verbrachten (rechts).

Die Gegend um Beijing stöhnt vor Trockenheit. An der Großen Mauer ist es mir am stärksten aufgefallen, wie die verschiedensten Pflanzen mit ihren Wurzelstöcken überwintert haben und nun, Ende Mai, noch immer darauf warten, dass ein Regen sie zum neuen Leben erweckt. In den letzten Jahren hat es weniger geregnet als sonst; der große Stausee, der die Millionenstadt versorgt, soll fast leer sein. Dennoch werden die neu in Mode gekommenen englischen Rasenflächen und die Bäume in der Stadt reichlich bewässert, am helllichten Tag, so dass erhebliche Teile des Wassers sofort wieder verdunsten.

Die Stadt Shanghai hat die Verbesserung der Wasserqualität in ihren Flüssen zu einer vordringlichen Umweltaufgabe erklärt.

Zum Trinken wird in beiden Städten nicht das Leitungswasser verwendet (insbesondere in Shanghai riecht und schmeckt es wirklich ungenießbar!) sondern speziell gereinigtes Wasser, das es in Wegwerfflaschen zu kaufen gibt.

Shanghai: AltstadtWenn man die Weltbevölkerung auf ein 100 Einwohner zählendes Dorf reduzieren und dabei die Proportionen aller auf der Erde lebenden Völker beibehalten würde, wäre dieses Dorf folgendermaßen zusammengesetzt: 57 Asiaten, 21 Europäer, 14 Amerikaner, 8 Afrikaner. Sechs Menschen würden 59% des gesamten Reichtums besitzen. 80 würden in maroden Häusern leben, 70 wären Analphabeten, 50 würden an Unterernährung leiden. Nur einer hätte einen Universitätsabschluss und nur einer würde einen Computer besitzen.
(nach Wohnung + Gesundheit 6 (2001) S. 63)

20% der Menschheit in den Industrieländern verbrauchen ca. 80% der Ressourcen. Auch wenn es in den Metropolen eine kleine reiche Schicht gibt, gehören die Chinesen nicht zu diesen 20%.

Wie u.a. in der Studie Zukunftsfähiges Deutschland (BUND und Misereor) beschrieben, stehen wir in Deutschland vor der Herausforderung, unseren Verbrauch an nicht erneuerbaren Ressourcen drastisch (bis Mitte des 21. Jahrhunderts auf 10 - 20% des Niveaus der 90er Jahre) zu reduzieren. Wenn in China über Nachhaltigkeit diskutiert wird, spielen hingegen soziale Fragen - die Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung - eine vordringliche Rolle.

Weitere Informationen: