Neben der Beschäftigung mit gesundheitlichen Auswirkungen von Lärm geht es in diesem Einzelprojekt im Rahmen eines Audits um dessen Auswirkung auf die Konzentrationsfähigkeit im Unterricht. Ein wichtiger Erfolgsfaktor für effektive Lernprozesse und damit ein Aspekt der Kernaufgabe der Institution Schule, nämlich Bildung, wird mit dieser Untersuchung in den Blick genommen.
Heinz Gniostko
Aufgrund des Ganztagsbetriebes halten sich die Schülerinnen und Schüler bis zu 8 Stunden täglich in der Hulda-Pankok-Gesamtschule auf. Wir sehen uns daher in einer besonderen Verantwortung, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit fördern. Einer der hierbei bedeutsamen Faktoren ist der Geräuschpegel. Es handelt sich dabei um eine physikalische Größe, die objektiv gemessen werden kann und in der Einheit dB(A) erfasst wird. Der Zusammenhang zwischen Geräuschpegel und Lärm ist hingegen subjektiv. Als Lärm bezeichnet man laute Geräusche in der Regel dann, wenn man sich durch diese Geräusche belästigt fühlt. Am Beispiel eines Rockkonzerts wird diese Subjektivität deutlich: Für den einen ist es Musik, für den anderen Lärm. Unabhängig davon, wie ich es empfinde, erzeugt ein hoher Lärmpegel Stress und beeinträchtigt die Konzentrationsfähigkeit. Im Rahmen des Nachhaltigkeits-Audits der HPG wollte die Projektgruppe „Lärm“
Die Lärmmessungen – oder besser die Bestimmung des Geräuschpegels – wurden von Teilen der Klasse 9.1 unter Leitung von Schulleiter Heinz Gniostko durchgeführt. Mit der mobilen Messzelle „Zelle“ (siehe Anhang) und einem Mikrofon nahm die Gruppe an verschiedenen Stellen des Schulgeländes und in verschiedenen Situationen des Schullebens Messungen vor. Die Daten wurden dabei vor Ort in der „Zelle“ gespeichert und dann im Computerraum auf Laptops ausgelesen. Mit dem Computerprogramm „Zelllabor“ konnten die Messdaten in Diagrammen dargestellt und ausgewertet werden. Als besonders interessante Beispiele werden hier die Messwerte aus einem Klassenraum, der Turnhalle, der Mensa und aus dem Schulwäldchen wiedergegeben. Besonders auffällig ist der Unterschied zwischen den Geräuschpegeln in der Sporthalle und in unserem Schulwäldchen. Die angeführten Messspitzen wurden durch den Besuch einer Schülergruppe verursacht, die sich für die Lärmmessungen interessierte. Auf dem Gelände der Hulda-Pankok-Gesamtschule gibt es somit durchaus relativ ruhige Orte. In einigen Situationen des Schulbetriebs ist jedoch, verglichen mit den Richtwerten der Lärmschutzverordnung, die Lärmbelastung so hoch, dass dadurch das Schulklima beeinträchtigt wird.
Die Klasse hat ferner den Zusammenhang zwischen Konzentrationsfähigkeit und Geräuschpegel getestet. Gleich lautende Testaufgaben wurden von der Klasse 9.1 einmal bei völliger Ruhe und ein zweites Mal bei hoher Lärmbelastung bearbeitet. Die Fehler in beiden Durchgängen wurden ermittelt; sie sind im folgenden Diagramm dargestellt.
Berücksichtigt man die Ergebnisse der Geräuschpegelmessungen, so ist davon auszugehen, dass Lärm in unserer Schule zumindest in manchen Situationen zu einer Minderung der Konzentrationsfähigkeit führt. Die Klasse hat den Test zuerst bei Ruhe durchgeführt: Obwohl die Aufgaben also schon bekannt waren, lag die Fehlerquote beim zweiten Durchlauf unter Lärmeinwirkung dreimal höher. Aus den Diskussionen zu den Untersuchungsergebnissen ergaben sich in der Schülergruppe bzw. in den nachfolgenden Beratungen in den schulischen Gremien folgende Ziele und Maßnahmen:
Ziele | Maßnahmen | Zeitraum | Verantwortlich |
Der Geräuschpegel sollin der Schule so reduziert werden, dass grundsätzlich Werte berhalb von 60dB vermieden werden. | Es wird geprüft, ob an besonders belasteten Stellen technische Lärmschutzmaßnahmen sinnvoll sind. Beim Bau der neuen Sporthalle sollen geeignete Lärmschutzmassnahmen eingeplant werden. Entsprechende Vorschläge werden dem Schulträger unterbreitet. | Ab sofort bis Ende Schuljahr 2001/2002 |
AK Umweltbildung Schulleitung Schulkonferenz |
Der Zusammenhang zwischen Lärmbelastung und Konzentrationsfähigkeit soll systematisch in der Schule bzw. im Unterricht thematisiert werden, um den Geräuschpegel zu reduzieren. |
Eine obligatorische Unterrichtsreihe zum Thema Lärm wird im Fach Physik im Jahrgang 9 eingeführt. | Bis Ende des Schuljahrs 2001/2002 |
Schulleiter FK Naturwissenschaften FK Ganztag |
Geprüft wird, wie im Schulgebäude und in den Tagesablauf systematisch Ruheräume und Ruhesituationen eingeplant werden können. |
Die Arbeit mit und besonders von den Schülerinnen und Schülern ist äußerst positiv zu bewerten. Schon in der Vorbereitung des Projekttages identifizierten sie sich intensiv mit der Problemstellung und ließen sich selbstständig auf die notwendigen fachlichen Vorbereitungen ein. Besonders motivierend waren dabei für sie das professionelle Vorgehen – auch die Nutzung des präzisen Messsystems – und der Realitätsbezug der Aufgabe. Dabei wich die anfängliche Zurückhaltung im Zusammenhang mit dem Konzentrationstest einer großen Überraschung im Hinblick auf die Ergebnisse. Im Nachhinein bestätigte sich für die Schülerinnen und Schüler die Richtigkeit der Ergebnisse, da sie im Verlaufe des Tests alles daran setzten, um zu „belegen“, dass ihre Konzentrationsfähigkeit nicht durch Lärm beeinträchtigt wird. Diese Erfahrung trug noch einmal zur Intensität der Untersuchung bei, in deren Verlauf die Schülerinnen und Schüler unbedingt alle Stellen der Schule hinsichtlich des Geräuschpegels zu erfassen versuchten. Einhellige Rückmeldung dabei war, dass durch diese Messungen, ihre Wahrnehmung des Schulgebäudes und -geländes um einen Aspekt erweitert wurde.
Kritisch bewerteten die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit einer Vermittlung dieser Ergebnisse an Mitschülerinnen und Mitschüler, die nicht die Erfahrungen dieses Projekts gemacht haben. Daraus entwickelte sich die Perspektive, dass die Lärmmessung im Physikunterricht zum Routineprogramm werden soll. Um die notwendigen Voraussetzungen für die Messungen erarbeiten zu können, wurde der 9. Jahrgang empfohlen.
Bestehen blieb allerdings die Skepsis, ob die notwendigen baulichen Veränderungen zur Lärmminderung realisierbar sind.
Schülerinnen und Schüler aus der Untersuchungsgruppe haben die
Lärmmessung mittlerweile
mehrfach präsentiert: bei einer Veranstaltung der IHK Düsseldorf
vor 50 Gästen, in der Schule bei der öffentlichen Vorstellung
des Audits, vor Gästen der Schule aus dem finnischen Bildungsministerium,
die sich für den „Schul-Check“ interessierten, und demnächst
auch im Rahmen einer Lehrerfortbildung in einer anderen Düsseldorfer
Schule. Die Lärmmessung samt Darstellung der Ergebnisse lässt
sich ohne große Schwierigkeiten im Veranstaltungssaal durchführen,
sodass das Publikum mit einer kleinen Demonstration einbezogen werden
kann. Mit ihrem großen Engagement, ihrem profunden Wissen und souveränen
Auftreten konnten die Schülerinnen und Schüler die jeweiligen
Auditorien von der Qualität ihrer Arbeit überzeugen.
Inzwischen haben Lehrerinnen und Lehrer der Schule nachgefragt, ob Lärmmessungen
in ihren
Klassen möglich seien. Die Gruppe wird im zweiten Schulhalbjahr 2003
in einigen Klassen solche Messungen und auch Konzentrationstests durchführen,
um ihren Mitschülerinnen und Mitschülern einen Teil der Erfahrung
zu ermöglichen, die sie selbst gemacht haben. Als weitere Idee soll
in diesen Klassen ein fest installiertes Lärmmessgerät ausprobiert
werden, das sich auf bestimmte Dezibelwerte einstellen lässt. Wird
der Lärmpegel überschritten, schaltet das Gerät automatisch
von einer grünen auf eine rot leuchtende Lampe um, ein stummer Hinweis,
der – weil vorher der erwünschte Lärmwert eventuell sogar
durch gemeinsame Diskussion festgelegt worden ist, bspw. 55 dB(A) für
stille Beschäftigung – als neutral und nicht willkürlich
angesehen werden wird, und die übliche Auseinandersetzung, ob es
zu laut in der Klasse ist oder nicht, objektivieren kann. Die Schule ist
sehr gespannt auf die Ergebnisse dieses Versuchs. Solche Themen lassen
sich auch im Rahmen von Ausarbeitungen wie Referaten in der Sekundarstufe
I und vor allem Facharbeiten in der Sekundarstufe II bearbeiten und bewerten.
Zurzeit wird überlegt, die Erstellung der Unterrichtsreihe Lärm,
die im Audit- Programm beschlossen worden ist, nicht von Lehrerkräften
ausarbeiten zu lassen, sondern einer Schülergruppe als Facharbeit
zu übertragen.
Zur Messung des Lärmpegels eignet sich besonders die „Zelle“ der Firma modul bus (s. Bezugshinweis). Sie ist ein Klassiker unter den Interfaces. Mit ihr können Messungen vor Ort durchgeführt und gesammelt werden. Dabei stehen für die Umweltmesstechnik typische Messwertaufnehmer wie Temperatur-, ph-Wert- und Schallsensoren zur Verfügung. Am Beispiel der Lärmmessung wird das Messsystem im Folgenden genauer erläutert (vgl. B. Kainka, 2000). Mit der „Zelle“ und ihrem Lärm-Messmodul stehen tragbare, netzunabhängige Geräte zur Verfügung, die sich problemlos auch für Langzeitmessungen einsetzen lassen. | „Zelle“ von modul-bus |
Lärmpegel werden in dB(A) gemessen. Dies entspricht etwa der veralteten Einheit Phon. Bei 0 dB(A) liegt die Hörschwelle des Menschen. Ein Motorrad erzeugt im Leerlauf in einem Meter Abstand ca. 80 dB(A). Die Schmerzgrenze liegt bei etwa 120 dB(A).
Ein Pegel ist immer der Logarithmus des Verhältnisses einer Messgröße
zu einer Vergleichsgröße. Er wird meist in Dezibel (dB) angegeben.
Die Angabe „Der Pegel liegt um 10 dB höher“ bedeutet,
dass die 10-fache Leistung vorliegt. Allgemein gilt für einen Pegel
L:
L = 10 log P/Po P = Leistung,
Po = Vergleichsleistung
Einer Steigerung der Leistung um das 100-fache entspricht also eine Verstärkung
von 20 dB. Jeder Pegel lässt sich in ein Leistungsverhältnis
umrechnen.
Pegel in db |
Leistungsverhältnis |
0 |
1 |
1 |
1,6 |
3 |
ca. 2 |
10 |
10 |
20 |
100 |
30 |
1000 |
40 |
10000 |
Für die Bewertung von Schallpegeln im Zusammenhang mit der Belastung von Menschen hat man die menschliche Hörschwelle als Vergleichspegel gewählt. Diese ist aber sehr stark von der Frequenz abhängig. Bei etwa 1.000 Hz ist das Ohr am empfindlichsten, darunter und darüber nimmt die Empfindlichkeit ab. Ein Messgerät für Schallpegel muss Geräusche nach ihrer Frequenz so bewerten wie das menschliche Ohr. Der geforderte Frequenzgang ist genormt und heißt A-Kurve. Daher stammt die bei Lärmpegeln verwendete Bezeichnung dB(A).
Ein Unterschied von 10 dB wird vom Menschen
etwa als eine Verdopplung der Lautstärke empfunden. Der gesamte Pegelumfang
des Ohrs von ca. 120 dB wird nur mit Schwierigkeiten von einem Messgerät
erreicht.
Reale Messungen des Lärmpegels werden heute meist mit direkt anzeigenden
Messgeräten durchgeführt. Geräuschpegel schwanken aber
im Allgemeinen recht stark. Deshalb misst man eine gewisse Zeit lang in
kurzen Intervallen von z.B. 5 Sekunden und schreibt jeweils den größten
gemessenen Pegel eines Intervalls auf. Die so erhaltenen Messwerte können
dann ausgewertet werden.
Bei Langzeitmessungen ist insbesondere der minimale, mittlere und maximale Pegel sehr aussagekräftig. Die Auswertung dieser Pegel ist genormt:
Trägt man L01, L95 und Leq über einen ganzen Tag lang auf, dann lassen sich Aussagen über Umfang und Art der Lärmbelastung machen.
Das Programm „Zelllabor“ erfasst Serien von 500 bis 6.000 Messwerten in regelmäßigen Intervallen. Jeder einzelne Messwert ist der maximale Pegel in seinem Intervall. Neben der Darstellung von Pegelverläufen über die Messzeit werden die Auswertung von Häufigkeitsverteilungen in Abhängigkeit von Pegeln und die Ermittlung von L01/L95/Leq ermöglicht.
„Zelllabor“ erlaubt die Lärmmessung und -auswertung auf unterschiedliche Art. Im Online- Betrieb werden die Messdaten gleichzeitig registriert und angezeigt, wobei für die Ausgabe zwischen Diagramm, Großanzeige und Liste gewählt werden kann. Im Offline-Betrieb kann die „Zelle“ vom PC getrennt werden, um offline Messungen durchzuführen. Die in der „Zelle“ gespeicherten Messdaten werden dann später in den PC eingelesen und ausgewertet. Die Auswertung umfasst neben der Darstellung als Diagramm und Liste auch die Häufigkeitsverteilung nach Pegeln und die Ermittlung der Pegel L01 und L95, also derjenigen Pegel, die nur noch von 1% bzw. 95% der Messwerte im betrachteten Zeitraum überschritten werden.
Schließlich können auch die energieäquivalenten Mittelwerte Leq bestimmt werden. Vor einer Messung muss die Messdauer eingestellt werden. „Zelllabor“ stellt dazu Standardeinstellungen zwischen 10 Sekunden und 24 Stunden bereit. Die Voreinstellung beträgt 10s. Um ein Gefühl für die gemessenen Geräuschpegel zu vermitteln, können Probemessungen in unterschiedlichen Situationen durchgeführt werden:
Eine besonders interessante Übung ist die größtmögliche Ruhe. Es zeigt sich, dass praktisch niemals vollkommene Ruhe herrscht. Jedes leise Knarren eines Stuhles und jedes entfernte Gespräch wird deutlich angezeigt. Es ist kaum möglich, die Empfindlichkeitsschwelle des Messgeräts von ca. 30 dB(A) zu erreichen. Der uns allezeit umgebende Geräuschpegel wird so bewusst.
Messzeit |
Einzelmessungen |
Intervallzeit |
10 s |
1000 |
10 ms |
1 min |
1000 |
60 ms |
6 min |
1000 |
360 ms |
1 h |
6000 |
600 ms |
6 h |
6000 |
3,6 s |
24 h |
6000 |
14,4 s |
12 x 10 s |
12 x 500 |
20 ms |
12 x 1 min |
12 x 500 |
120 ms |
12 x 10 min |
12 x 500 |
1,2 s |
Jede Einzelmessung gibt ein punktuelles Messergebnis wieder. Belastungen durch hohe Lärmpegel sind jedoch sehr stark von der Dauer und vom Verlauf der Pegel abhängig. Hohe Pegel sind dann besser zu ertragen, wenn sie nur selten auftreten. Ein Gewöhnungseffekt ist andererseits nur bei etwa gleichbleibenden Pegeln zu erwarten. Lärmpegel müssen daher über längere Zeiträume gemessen und registriert werden.
„Zelllabor“ unterstützt die Fähigkeit der „Zelle“, Messwerte im tragbaren Einsatz zu erfassen. Nach der Einstellung der Messzeit kann die „Zelle“ vom PC getrennt werden. Am eigentlichen Messort lässt sich eine Messung mit der Starttaste auslösen. So lassen sich z.B. Lärmpegel an verschiedenen Straßen einer Stadt erfassen.
Die Auswahl der Messzeiten richtet sich nach der jeweiligen Aufgabe und den praktischen Möglichkeiten der Durchführung. Neben der Einstellung der Messdauer ist auch die Wahl einer aufgeteilten Messung mit zwölf einzelnen Messblöcken möglich. Damit lassen sich mehrere Messungen durchführen, die gemeinsam in den PC übertragen werden. Es können im Wesentlichen drei Typen von Messungen unterschieden werden:
Während die extremen Pegel noch leicht direkt überschaubar sind, ist die Auswertung des energieäquivalenten Mittelwerts Leq praktisch nur noch mit Programmhilfe möglich. „Zelllabor“ wertet Leq zusammen L01 und L95 bei kurzen Messungen über den gesamten Messzeitraum aus, während bei längeren Messungen abschnittsweise gerechnet wird. Bei 24-Stunden-Messungen wird z.B. stundenweise ausgewertet.
Zur Beurteilung der Lärmbelastung an einem Ort muss in erster Linie der Äquivalentpegel betrachtet werden. Die Belastung an einem Wohnort muss über den Tagesverlauf erfasst werden.
Messungen zum Thema Lärm müssen sich auch mit Lärmschutzmaßnahmen beschäftigen. Verschiedene Maßnahmen können durch Vergleichsmessungen auf ihre Wirksamkeit hin untersucht werden. Mögliche Fragestellungen sind:
Über die Firma modul bus ist das gesamte Messsystem als Umweltmesskoffer günstig zu beziehen.