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Unesco-Dekade

Multimedia in der Umweltbildung - Didaktische Leitlinien

Mit dem Arbeitsbereich "Multimedia in der Umweltbildung" auf umweltschulen.de möchte ich Sie einladen, sich mit dem Stellenwert von Multimedia in der Umweltbildung und konkreten Anwendungen (Software, Lernarrangements und Projekte) auseinander zu setzen.

Ich gehe dabei nicht davon aus, dass es „eine richtige“ Didaktik für alle – für alle Lehrenden, für alle Lernenden, für alle Themen und für alle Vorstellungen von Erkenntnisgewinnung und Lernen – gibt. Mein Arbeitskontext ist überwiegend von der Kooperation mit Schülern bzw. Lehrern geprägt, ich bringe in meine Arbeit die Sichtweisen des Naturwissenschaftlers und eines „Mitgliedes“ der Umweltbewegung mit ein. So haben auch Sie Ihre eigenen Biographien, Interessen und Arbeitskontexte.

Daher möchte ich Ihnen hier transparent machen, aus welchem Blickwinkel ich persönlich Multimedia in der Umweltbildung sehe und wie sich dies in dann in der Beurteilung und Verwendung von Computerprogrammen und in der Gestaltung von Lernarrangements niederschlägt. Sie mögen sich daran reiben, sie mögen andere Sichtweisen und auch gute Gründe für diese haben. Ich hoffe, dass es Ihnen gelingt, die Weichen zu finden, die Sie ggf. anders stellen müssen, d.h. dass Sie eigene – und gut begründete – didaktische Entscheidungen treffen.

Wissen über das Verhältnis von Mensch und Umwelt schaffen

Mit multimedialen Lernarrangements möchte ich Lernende dabei unterstützen, gemeinsam Wissen über das Verhältnis zwischen Mensch und Umwelt zu schaffen. Dabei können sie aus den Wissenschaften entlehnte Prinzipien der Erkenntnisgewinnung wie Simulationen oder die computergestützte Datenerfassung, -übertragung und -auswertung oder die von (Computer-)Spielen geweckte Lernmotivation nutzen, sie können effizienter recherchieren und präsentieren.

Es ist hingegen nicht mein Ziel, im Auftrag der Politik vorgegebenes universell gültiges Wissen zu vermitteln, ein vordefiniertes Umweltbewusstsein zu erzeugen und umweltverträgliches bzw. nachhaltiges Handeln (z.B. „richtiges“ Abfalltrennen) zu initiieren (zur Kritik an einer indoktrinären Umweltbildung siehe DE HAAN, 1993 bzw. WOLF, 2005, S. 105ff). Umweltbildung in der Postmoderne sollte vielmehr das Mensch-Umwelt-Verhältnis ergebnisoffen reflektieren, d.h. es den Lernenden zugestehen, dass sie ihre eigenen Sichtweisen entwickeln. Sie sollte die im Nachhaltigkeitsleitbild zentralen Aspekte der Diskursivität und Partizipation einbeziehen und sich darauf einlassen, komplexe Sachverhalte zur Sprache zu bringen.

Unter Bezug auf konstruktivistische Erkenntnistheorien und insbesondere auf die konstruktivistische Didaktik nach REICH (2004) gehe ich zudem davon aus, dass Wissen (Werte,...) Konstruktionen sind, die der Mensch sich als Individuum schafft – eingebunden in seine Kultur und im Austausch mit anderen Mitgliedern der Verständigungsgemeinschaften, an denen er teilnimmt. Lernende müssen auch bereits bestehende Wissensbestände, Werte und Normen (z.B. zum Umgang mit der Natur), Arbeitsverfahren und Erkenntnismethoden rekonstruktiv erlernen, diese Wissensbestände stehen aber unter dem Vorbehalt der Dekonstruktion.

Didaktische Vielfalt erhöhen

Multimediale Lernarrangements sollen die didaktische Vielfalt erhöhen. Das heißt nicht, dass möglichst viele verschiedene Computerprogramme eingesetzt werden sollen, sondern dass der Einsatz von Multimedia es den Lernenden erlauben soll, vielfältige Perspektiven bzw. Rollen im Erkenntnisprozess einzunehmen. Lernende sollen z.B. die Möglichkeit bekommen, Konstrukteure, Rekonstrukteure und Dekonstrukteure von Wissen zu sein. Sie können z.B. beim „Learning by Designing“ naturwissenschaftlich-forschende und ästhetisch-gestaltende Erkenntnismomente verbinden. Sie können am Computer Eingriffe in ökologische oder politische Systeme simulieren, die im realen Leben ihre Kompetenzen und das gesetzlich Erlaubte bzw. ethisch Vertretbare weit überschreiten würden. Sie können in Projekten wie „GLOBE“ oder "Free your River" ihre vor Ort gewonnenen Erkenntnisse in überregionale bzw. globale Zusammenhänge einordnen. Sie können aus der begrenzten Welt vorgefertigter Lernmaterialien heraustreten und in ihrem Lernprozess auch dem Realen begegnen – dem nicht Erwarteten in der Umwelt oder im World Wide Web.

Damit sollte auch deutlich werden, dass es nicht darum geht, multimediagestützte und „traditionelle“ Lernformen gegeneinander auszuspielen – sondern vielmehr darum, diese sinnvoll zu verzahnen.

Beziehungsseite der Didaktik stärken

Multimedia-gestütztes Lernen bedeutet nicht, dass Lernende vereinzelt am Computer sitzen müssen und nur mit dem technischen System wechselwirken. Multimediale Lernarrangements sollen vielmehr die Beziehungsseite der Didaktik gegenüber der Inhaltsseite stärken. (Inhalte und Beziehungen sind gleichermaßen wichtig für Lehr-/ Lernprozesse, da aber traditionelle Didaktiken die Beziehungen oftmals vernachlässigen, gilt es, diese zu stärken.) Dies kann bspw. realisiert werden, indem Lernende gemeinsam die Herausforderungen von Spielen oder Simulationen lösen, gemeinsam Multimedia-Präsentationen erarbeiten oder im Internet auch über Distanzen hinweg sich kennen lernen, kommunizieren und kooperieren – und indem sie ihre Ergebnisse und Erfahrungen vor Ort in der Lerngruppe reflektieren.

Partizipation der Lernenden fördern

Multimediale Lernarrangements sollen die Partizipation der Lernenden fördern. Lernende sollen Kompetenzen erwerben und (so weit das aus dem Bildungsprozess heraus möglich ist) Freiräume bekommen, um als Schüler ihren Lernprozess, als Medienproduzenten das Internet, und als Bürger ihre Gesellschaft mitzugestalten. Diese Zielstellung bezieht sich sowohl auf Inhalte (vgl. z.B. die Simulation „ecopolicy“) als auch auf (im Vergleich zum traditionellen Unterricht stärker) selbstgesteuerte Lernformen.

Eigene didaktische Lösungen finden

Je nachdem, in welchem Kontext und mit welchen Vorstellungen Sie arbeiten, kann Multimedia für Sie eine ganz andere Rolle spielen. Wer z.B. betriebliche Beauftragte für Umweltschutz schult, könnte rekonstruktive Lernformen (z.B. sich Kenntnisse zu Gesetzen oder Verfahren aneignen) und computergestützte Datensammlungen oder Internetrecherchen gegenüber den hier vorgestellten Multimedia-Anwendungen bevorzugen.

Sie haben Fragen, Anregungen, Kritik hierzu? Lassen Sie es mich wissen! (E-Mail siehe unten)

Quellen

DE HAAN, GERHARD (1993): Reflexion und Kommunikation im ökologischen Kontext. In: Apel, H.: Orientierungen zur Umweltbildung. Bad Heilbrunn, S. 119-172

REICH, K. (2004): Konstruktivistische Didaktik. Lehren und Lernen aus interak-tionistischer Sicht. Luchterhand. 2. überarbeitete Auflage

WOLF, G. (2005): Umweltbildung in der postmodernen Gesellschaft. Entwurf eines situierten Ansatzes zur Umweltbildung aus Sicht des interaktionistischen Konstruktivismus. Köln: Dissertation Universität Köln, zugel. 2005 (in Druck)