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Landeshauptstadt Düsseldorf

 

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Offizielles Projekt der Unesco-Dekade Bildung fuer nachhaltige Entwicklung
 

Schule der Zukunft

Bildung für Nachhaltigkeit in Finnland

Lernen, was andere besser machen – Deutsch-finnischer Erfahrungsaustausch

Nach den PISA-Untersuchungen zur Leistungsfähigkeit der nationalen Schulsysteme ist das Interesse in Deutschland für die Bildungssysteme anderer Staaten deutlich gestiegen. Warum nur schafft es eine Nation wie Finnland, PISA-Sieger zu werden? Und was veranlasste finnische Experten im Jahr 2002, Schulen in Düsseldorf und in Neuss anzufragen, ob man sich dort Beispiele guter Praxis anschauen dürfe? Lehrer/innen aus Düsseldorfer Schulen waren in der ersten Osterferienwoche 2007 zu einem Gegenbesuch in Finnland.

Schulleitungen und Lehrer/innen im Geschwister-Scholl-Gymnasium, in der Hulda-Pankok-Gesamtschule und im Berufskolleg Neuss-Weingartstraße staunten nicht schlecht, als im Jahr 2002 die Anfrage aus Helsinki kam, ob man sich die Ansätze moderner Umweltbildung in diesen Schulen anschauen könne. Was in aller Welt wollten Experten aus dem PISA-Siegerland in Düsseldorfer Schulen? Die Antwort war recht einfach: Lernen! Diese Schulen hatten offensichtlich etwas entwickelt, was das Interesse der finnischen Bildungsexperten geweckt hatte. Womit hier ein erster Unterschied der Strategien für Schulentwicklung in beiden Ländern deutlich wird: Während in der in weiten Teilen ideologisch geprägten Debatte in Deutschland Viele schon lange meinen zu wissen, was dem Kinde ziemt, geht Finnland einen anderen, pragmatischeren Weg. Lernen, was andere Länder besser machen und diese Erkenntnisse dann systematisch ins Bildungssystem in Finnland einführen!

Was war so interessant in den deutschen Schulen? Sie stehen für eine moderne Umweltbildung, die sich weniger im Moralisieren und Belehren übt; vielmehr gehen hier Schüler und Lehrer gemeinsam (schulischen) Umweltproblemen auf den Grund und entwickeln dafür praktikable Lösungen. Als Konsequenz aus der UN-Konferenz von Rio 1992 weiten diese Schulen ihren Horizont auf weitere Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung aus. Besonders beeindruckt waren die Finnen von der weitreichenden Partizipation der Schüler in diesen Schulen. Mit den Modellprogrammen BLK 21 und Transfer 21 sowie mit der äußerst engagierten Unterstützung der Landeshauptstadt Düsseldorf haben diese Schulen Rahmenbedingungen, die auch die Finnen als beispielhaft empfanden.

Anfang April 2007 waren nun fünf KollegInnen aus dem Düsseldorfer Netzwerk „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ einer Einladung der finnischen Kooperative Eco-One und der Okka-Foundation zu einem Gegenbesuch gefolgt. Sie wollten schauen, was die Finnen aus ihren Erkenntnissen inzwischen gemacht haben und generell das finnische Bildungssystem persönlich in Augenschein nehmen. Höhepunkt der Reise war ein Kooperationsseminar am 3.4. mit knapp 70 Teilnehmern, daneben standen Besuche in Bildungseinrichtungen, im Schuldepartment der Stadt Helsinki, bei der Okka-Foundation (für die Umwelt- und Nachhaltigkeitszertifizierung von Bildungseinrichtungen zuständig) und der Lehrergewerkschaft OAJ auf dem Programm.

Vor dem Schuldepartment, Foto: Th. Wahl-Aust   Erkka Laininen und Risto Tenhunen freuen sich über die Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitsberichte von Düsseldorfer Schulen. Foto: Th. Wahl-Aust
Links: Vor dem bzw. im Schuldepartment der Stadt Helsinki. Rechts: Erkka Laininen und Risto Tenhunen freuen sich über die Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitsberichte von Düsseldorfer Schulen.

Während die deutsche Kultusbürokratie eher die Meinung vertritt, dass das finnische Bildungssystem ja ganz anders und schwerlich auf Deutschland zu übertragen sei, sehen das viele Bildungsexperten und Lehrer/innen ganz anders. Deutschland könnte eine Menge von Finnland lernen, darin war sich die Düsseldorfer Delegation anschließend einig.

Bei den deutschen Teilnehmern hinterließ das Unterstützungssystem für Lernende einen starken Eindruck. Im finnischen Bildungssystem kümmern sich neben den Lehrern auch Schulpsychologen, -Sozialarbeiter, -Krankenschwestern und -Ärzte um die Kinder. Den Lehrern wird es damit ermöglicht, sich auf ihre Kernaufgabe – das Unterrichten – zu konzentrieren, zumal bei Bedarf für besonders leistungsschwache Schüler zusätzliche Fördermöglichkeiten (Lehrerassistent, zusätzliche Förderstunden und ggf. auch separate Förderklassen) existieren. Finnland investiert sichtbar mehr Ressourcen in sein Bildungssystem als Deutschland. Aber nicht alleine der Umfang dieser Unterstützung beeindruckte die Gäste. Vielmehr schien in politischen Verlautbarungen, in den Statements von Bildungsexperten und auch in der beobachteten schulischen Praxis immer wieder der unbedingte Wille durch, jedes Kind wertzuschätzen und auf dem Weg durch die Ausbildung „mitzunehmen“, Entwicklungsprobleme frühzeitig zu erkennen und gezielt zu intervenieren – anstatt problematische Kinder sitzenbleiben zu lassen oder sie an andere Schul(form)en abzuschieben. Auf Landesebene wird damit die „Bildungsreserve“ deutlich besser ausgeschöpft, das ist u.a. daran zu erkennen, dass in Finnland 55% der Schüler nach der 9. Klasse ans Gymnasium wechseln.

Die Lehrergewerkschaft hat – anders als in Deutschland – eine anerkannte Stellung im finnischen Bildungssystem, wie Frau Marjatta Melto and Frau Seija Mutikainen aus der Zentrale der OAJ verdeutlichten. In Finnland sind ca. 95% der LehrerInnen gewerkschaftlich organisiert. Die OAJ sieht sich nicht nur als Tarifpartei (mit den klassischen Konfliktfeldern Löhnen und Arbeitszeiten), sondern sie ist auch ein anerkannter fachlicher Partner der Bildungsadministration und war z.B. an der Ausarbeitung der nationalen Strategie zur Bildung für nachaltige Entwicklung beteiligt. Die Kooperation zwischen Kultusressort und Gewerkschaft zur Nutzung des gesammelten Expertenwissens der Praktiker an der Basis ist die erfolgreiche Strategie, nicht die Beschneidung vom Mitbestimmungsrechten, wie es derzeit z.B. in Nordrhein-Westfalen diskutiert wird.

Zu den besichtigten Schulen zählte die Pihkapuisto-Grundschule. Hier führten Fünftklässler vor, wie sie untereinander Streit schlichten. Nach den Vorzügen der Streitschlichtung gefragt, gaben sie freimütig an, Streitigkeiten selbst zu regeln, hätte den großen Vorteil, dass Lehrer und Eltern nicht einbezogen werden müssten – und legten damit einen überzeugenden Pragmatismus an den Tag.

Schüler im Unterrichtsprojekt zur Abfalltrennung. Foto: Th. Wahl-Aust

Unterrichtsprojekt zur Abfalltrennung in der Pihkapuisto-Grundschule Helsinki.

Schließlich ließen auch die ehrgeizigen Bildungsziele, über welche Erkka Laininen von der Okka-Foundation berichtete, die deutschen Gäste aufhorchen: In ihrer aktuellen Strategie zur Bildung für nachhaltige Entwicklung stellen finnische Bildungsexperten u.a. das Ziel auf, dass bis 2010 jede finnische Bildungseinrichtung ein Aktionsprogramm zur Implementation von Nachhaltigkeit aufgelegt haben sollte. Wenngleich noch offen ist, inwieweit die neue Regierung diese Ziele mit fördern wird, bestehen doch im zentralstaatlich organisierten Bildungssystem Finnlands reale Chancen, das zu erreichen.

Natürlich wurden auch kritische Entwicklungen in beiden Ländern angesprochen, so die Zusammenlegung von Schulen in Folge von Verwaltungsreformen oder der permanent notwendige Kampf um Ressourcen angesichts anderer politischer Prioritäten wie Steuersenkungen.

Dennoch scheinen Erfahrungsaustausch und Kooperation eine Erfolg versprechende Strategie zu sein. Um dazu einen konkreten Schritt zu gehen, hat der Leiter der deutschen Delegation, Klaus Kurtz, finnische Schüler zu dem für 2008 in Düsseldorf geplanten Internationalen Schülerkongress eingeladen.

 

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