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Unesco-Dekade

Operationalisierung der Nachhaltigkeitsidee

Da Nachhaltigkeit kein fertiger Bauplan sondern ein Leitbild ist, muss dieses operationalisiert (für empirische Analysen bzw. politisches oder z.B. auch Alltagshandeln handhabbar gemacht) werden. Hierauf wird bereits in der Agenda 21 im Kapitel 40 „Informationen für die Entscheidungsfindung“ hingewiesen. Herkömmliche Indikatoren wie das Bruttosozialprodukt sind demnach nicht ausreichend, um eine nachhaltige (oder nicht nachhaltige) Entwicklung abzubilden. Daher sollen Indikatoren für eine nachhaltige Entwicklung erarbeitet werden, die Sammlung von Daten und deren Nutzung sollen verbessert werden, etc. (Bundesumweltministerium 1992, S. 282-283, vgl. auch SRU 1994 sowie SRU 1998, S. 48-124).

Nicht alleine Deutschland musste sich dieser Aufgabe stellen; auf jeder Ebene, die sich am Leitbild der Nachhaltigkeit orientieren will, braucht man die Selbstvergewisserung durch empirische Daten. Das gilt insbesondere auch für Kommunen im Rahmen der Lokalen Agenda 21 oder für Schulen im Rahmen des Nachhaltigkeitsaudits. Wer sich mit der Evaluation von Bildungsprozessen befasst, wird methodische Parallelen entdecken, denn auch bei der Bildungsevaluation müssen Sie aus Ihren (didaktischen) Leitvorstellungen messbare Größen ableiten.

Das Vorgehen bei der Operationalisierung soll hier in Anlehung an Grunwald/Kopfmüller (2006) skizziert werden.

Leitbild

Das Leitbild Nachhaltigkeit liefert grundlegende Orientierungen, so z.B., Politik an der Idee der Gerechtigkeit auszurichten oder die Grenzen der Tragfähigkeit der Ökosysteme einzuhalten.

Konzeptionen

Diese Orientierungen bedürfen der Konkretisierung, denn erst dann können sie angemessen in gesellschaftliches Handeln und praktische Politik umgesetzt werden. Konzeptionen leisten diese Konkretisierung (ebd., S. 37-58). Solche Konzeptionen können sich unterschiedlichen Fragen widmen und diese unterschiedlich beantworten.

Indikatoren und Zielwerte, Diagnose

Indikatoren sind Umstände oder Merkmale, die als (beweiskräftige) Anzeichen oder Hinweise auf etwas anders dienen (Duden Fremdwörterbuch). Im Kapitel 40 der Agenda 21 wird gefordert, auf internationaler wie nationaler Ebene Indikatorensysteme zur Erfassung der nachhaltigen Entwicklung aufzustellen (Bundesumweltministerium 1992, S. 282ff). Mit Nachhaltigkeitsindikatoren sollen u.a. Zustände und Entwicklungen (Trends) charakterisiert, Fehlentwicklungen identifiziert und kommuniziert, Handlungsbedarf abgeleitet und Erfolge kontrolliert werden (Grunwald/Kopfmüller 2006, S. 59). Aus der Erfahrung mit schulischen Nachhaltigkeitsaudits möchte ich ergänzen, dass es auch wichtig ist, Erfolge und Stärken zu identifizieren, zu kommunizieren und gezielt auszubauen!

Bei der Entwicklung von Nachhaltigkeitsindikatoren kann auf eine teilweise jahrzehntelange Praxis der Erhebung ökonomischer, ökologischer und sozialer Indikatoren zurückgegriffen werden. Einer der bekanntesten (ökonomischen) Indikatoren ist das Bruttoinlandsprodukt.

Grunwald/Kopfmüller (2006, S. 59-65) systematisieren verschiedene Indikatorensysteme, z.B. nach

Mit den Indikatoren werden Merkmale von Zuständen bzw. Prozessen (IST) erfasst. Zudem sind Zielwerte (SOLL) erforderlich, welche die anzustrebende Merkmalsausprägung beschreiben. Derartige Zielwerte sind keine Naturkonstanten, sie werden in der Regel (mehr oder weniger demokratisch) in einem gesellschaftlichen Diskurs ausgehandelt (Grunwald/Kopfmüller 2006, S. 63). Wenn IST-Werte erfasst und SOLL-Werte festgelegt sind, können beide miteinander verglichen werden. Dies führt zu einer Bewertung, einer Diagnose. Grunwald/Kopfmüller (2006, S. 65-69) nehmen eine solche Nachhaltigkeitsdiagnose für Deutschland vor.

Strategien und Maßnahmen

Je nachdem, wie die Bewertung ausfällt, werden bestimmte Strategien bzw. Maßnahmen erforderlich, um bereits erreichte Erfolge auszubauen bzw. Defizite zu überwinden.

Eine volkswirtschaftlich relevante und aus Nachhaltigkeitssicht problematische Strategie ist die Wachstumsstrategie, die seit 1967 im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert ist. Grunwald/Kopfmüller (2006, S. 71-75) führen diese Strategie und mögliche Alternativstrategien näher aus.

Effizienz, Suffizienz und Konsistenz hingegen sind Strategien, welche eine nachhaltige Entwicklung unterstützen (vgl. unter ökonomisch-ökologischer Neuorientierung).

Grunwald/Kopfmüller (2006, S. 78-81) weisen darauf hin, dass diese drei Strategien zwar auf die ökologische Dimension von Nachhaltigkeit anwendbar seien, nicht aber auf ebenso nachhaltigkeitsrelevante Probleme wie Staatsverschuldung oder Bildungsdefizite. So wie sie integrative Konzeptionen (siehe oben) für angemessen halten, befürworten sie auch integrative Strategieansätze. Als ein Beispiel führen sie das Konzept Nachhaltigkeit der Enquete-Kommission des 13. Deutschen Bundestages an, wo exemplarische Untersuchungen in den drei Handlungsfeldern Bodenversauerung, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Bauen und Wohnen angestellt und dabei jeweils ökologische, ökonomische und soziale Aspekte integriert werden.

Derartige Strategien müssen schließlich in konkrete Maßnahmen münden. Von der politischen Ebene aus können z.B. Gesetze (bzw. untergesetzliche Regelwerke) erlassen oder Förderprogramme aufgelegt werden. Als Beispiele – hier für die Umsetzung der Effizienzstrategie – können die Vorschriften zum Energiepass für Gebäude nach einer EU-Verordnung oder die finanzielle Förderung der Wärmedämmung an Gebäuden dienen.

Die hier beschriebene Operationalisierung ist kein einmaliger linearer Prozess. Mindestens sind die Ergebnisse der Maßnahmen durch eine erneute Datenerfassung und Bewertung zu überprüfen; in der Praxis werden jedoch auch z.B. Konzeptionen oder Indikatorensysteme weiterentwickelt, so dass dann in einem folgenden Zyklus auf ein verbessertes Instrumentarium zurückgegriffen werden kann.

Zum Weiterlesen

 

Der Arbeitsbereich "Agenda 21 und Bildung für nachhaltige Entwicklung" auf umweltschulen.de entstand 2006-2014 in Kooperation mit dem Fernstudiengang Umwelt&Bildung der Universität Rostock; dem heutigen Fernstudiengang Bildung und Nachhaltigkeit.