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Unter dem Eindruck ihrer internationalen Karriere fand die Nachhaltigkeitsidee auch Resonanz in der Bundesrepublik Deutschland.
Im Jahr 1994 wurde das Prinzip der Nachhaltigkeit mit dem Focus auf Umweltschutz als Staatsziel im Grundgesetz verankert: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für künftige Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsrechtlichen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und Rechtssprechung.“ (Artikel 20a Grundgesetz).
Im Herbst 1995 wurde die Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“ vorgestellt (BUND/MISEREOR 1996). Als Herausgeber hatten sich der Umweltverband BUND und die Organisation der Entwicklungszusammenarbeit MISEREOR zusammengetan.
Die Studie nimmt explizite Bezug auf das Gerechtigkeitspostulat der Agenda 21. Daraus wird abgeleitet, dass
Nach dem Vorbild niederländischer Studien wird somit einer Gesellschaft entsprechend ihrer Bevölkerungszahl ein „Umweltraum“ zugemessen, den sie nutzen kann. Deutschland verbraucht demnach deutlich mehr Umweltraum, als ihm aufgrund der Bevölkerungszahl zusteht. Dazu schreibt VENRO (2000, S. 7): „Das im Norden verwirklichte Wohlstandsniveau ist nicht universalisierbar. So gesehen, ist auch Deutschland nach den Maßstäben einer global zukunftsfähigen Entwicklung fehlentwickelt, d.h. selbst ein ´Entwicklungsland´.“ BUND/MISEREOR kommen zu dem Schluss, dass wir in Deutschland wesentliche Ressourcenverbräuche und Emissionen bis 2050 um 80-90% reduzieren müssten (s. Tabelle ). Das soll u.a. mit Strategien wie Effizienz bzw. Suffizienz erreicht werden.
Eine Forderung von dieser Dimension musste auf Widersprüche stoßen; so äußerte der SRU (1996, S. 55) erhebliche Bedenken gegen die methodischen Grundlagen der Operationalisierung und bezweifelte auch, ob das Gleichheitspostulat der Agenda 21 in der Weise anwendbar sei.
Tabelle:
Umweltpolitische Ziele eines zukunftsfähigen
Deutschlands |
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Umweltindikator |
Mittelfristiges Umweltziel (2010) |
Langfristiges Umweltziel (2050) |
Energie |
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Material |
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Fläche |
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Emissionen
/ Stoffabgabe |
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Im Rahmen des Öko-Audits oder Nachhaltigkeitsaudits reduzieren Schulen ihren Umweltverbrauch bzw. ihre Umweltauswirkungen und tragen somit zu den o.g. Zielen bei. Mir ist dabei allerdings keine Schule bekannt, die sich strategische Ziele (prozentuale Reduzierung) im Sinne der Studie gestellt hat.
Den Schwerpunkt der Studie bilden jedoch Leitbilder für den Veränderungsprozess der Gesellschaft. Die Studie überwindet die Reduktion der Umweltproblematik auf Zahlen und bietet neue Wertehaltungen an. Zukunftsfähiger könnte die Bundesrepublik demnach werden, wenn die Gesellschaft ein „rechtes Maß für Zeit und Raum“ finden oder „eine lernfähige Infrastruktur“ aufbauen würde. Wer sich an „Gut leben statt viel haben“ orientiert, kann demnach persönliches Glück mit einem nachhaltigen Lebensstil verbinden.
Der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen (WBGU) ist ein für den Nachhaltigkeitsdiskurs bedeutsames Expertengremium, das 1992 von der Bundesregierung einberufen wurde.
In seinem Gutachten 1996 (WBGU 1996) fordert er interdisziplinäre Ansätze bei der Analyse zur nachhaltigen Entwicklung und stellt das „Syndromkonzept" zur ganzheitlichen Betrachtung und Analyse der globalen Umweltveränderungen vor.
Der WGBU beschreibt die ca. 80 wichtigsten globalen Umweltprobleme zunächst als Symptome. Er stellt fest, dass in verschiedenen Teilen der Welt jeweils mehrere dieser Symptome in wiederkehrenden Mustern gebündelt auftreten. In einer Analogie zur Medizin wird daraufhin beim Auftreten mehrerer Symptome von Syndromen, also von Krankheitsbildern, gesprochen. 16 solcher „Erdkrankheiten“ hat der WGBU beschrieben und sie in drei Gruppen gegliedert. Bei der Syndromgruppe „Nutzung" handelt es sich um Syndrome, die infolge einer einseitigen oder sorglosen Ausbeutung von Naturschätzen auftreten. Die Gruppe „Entwicklung" umfasst Syndrome, die sich aus nicht-nachhaltigen Fortschrittsprozessen ergeben, und der Gruppe „Senken" werden jene zugeordnet, die aus einer unangepassten Entsorgung von Stoffen in Boden, Wasser oder Luft entstehen.
Tabelle:
Die Syndrome des Globalen Wandels |
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Syndrom |
Erläuterung |
Gruppe Nutzung |
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Sahel-Syndrom |
Landwirtschaftliche Übernutzung marginaler Standorte verbunden mit ländlicher Armut |
Raubbau-Syndrom |
Raubbau an natürlichen Ökosystemen |
Landflucht-Syndrom |
Umwelt- und Entwicklungsprobleme durch Aufgabe traditioneller Anbaumethoden |
Dust-Bowl-Syndrom |
Umweltdegradation durch industrielle Landwirtschaft |
Katanga-Syndrom |
Umweltdegradation infolge Abbau nicht-erneuerbarer Ressourcen |
Massentourismus-Syndrom |
Schädigung von Naturräumen durch Tourismus |
Verbrannte-Erde-Syndrom |
Umweltzerstörung durch militärische Einflüsse |
Gruppe Entwicklung |
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Aralsee-Syndrom |
Umwelt- und Entwicklungsprobleme durch zentralistisch geplante Großprojekte |
Grüne-Revolution-Syndrom |
Ökologische und gesellschaftliche Probleme infolge nicht angepasster Agrarentwicklungspolitik |
Kleine-Tiger-Syndrom |
Vernachlässigung ökologischer Standards im Zuge eines hochdynamischen Wirtschaftswachstums |
Favela-Syndrom |
Umweltdegradation und Verelendung durch ungeregelte Urbanisierung |
Suburbia-Syndrom |
Landschaftsschädigung durch die reguläre Expansion von Städten und Infrastrukturen |
Havarie-Syndrom |
Umweltdesaster durch technisch-industrielle Unfälle |
Gruppe Senken |
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Hoher-Schornstein-Syndrom |
Umweltdegradation durch weiträumige Verteilung zumeist langlebiger Wirkstoffe |
Müllkippen-Syndrom |
Umweltgefährdung durch Deponierung von Abfällen |
Altlasten-Syndrom |
Langfristige ökologische Belastung im Umfeld von Industriestandorten |
Der Syndromansatz nimmt die hoch integrierende Betrachtungsweise der Agenda 21 auf. Die Syndrome haben Querschnittscharakter und beziehen ökologische, ökonomische und soziale Aspekte ein. So umfasst das „Favela-Syndrom" Umweltdegradation und Verelendung in städtischen Siedlungen, vor allem der Entwicklungsländer. In den Slumgebieten der großen Städte häufen sich Umwelt- und Entwicklungsprobleme auf engstem Raum. Verschärft wird die Lage durch die Zuwanderung vom Land. Eine wichtige Ursache hierfür ist das „Grüne-Revolution-Syndrom", durch das die sozio-ökonomischen und regionalen Disparitäten im ländlichen Raum weiter angewachsen sind.
Der Syndromansatz ist somit einerseits ein Analyseinstrument auf der wissenschaftlichen Ebene. Gleichzeitig kann die im Syndromansatz vorgenommene Organisation von Wissen über globale Probleme auch als ein didaktisches Modell der BNE dienen. Der Syndromansatz wurde daher in das BLK-Modellprogramm „21“ aufgenommen. Es muss jedoch betont werden, dass sich der Syndromansatz nur für eng begrenzte Zielgruppen eignet - so für die Sekundarstufe II oder für Studierende.
Die Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt – Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung“ wurde am 1.6.1995 vom 13. Deutschen Bundestag eingesetzt. Die Kommission legte 1998 ihren Abschlussbericht „Konzept Nachhaltigkeit“ vor (Deutscher Bundestag 1998).
Mit ihrem Abschlussbericht erhebt die Kommission den Anspruch, einen gangbaren Weg zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsidee aufzuzeigen. Dazu werden Ziele, Instrumente und Maßnahmen sowie Verantwortliche benannt (ebd., S. 5). Damit zeigt die Kommission exemplarisch den notwendigen Weg zur Aufstellung der gesamtgesellschaftlichen Nachhaltigkeitskonzepte auf; im Kap. 3 vertieft sie ihre Vorstellungen zu einer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie.
Das Leitbild einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung wird hier weiter gefasst als von der Enquete-Kommission des 12. Deutschen Bundestages (welche sich einem nachhaltigen Umgang mit Stoff- und Materialströmen gewidmet hatte) und vom SRU (welcher dezidiert von einer dauerhaft-umweltgerechten Entwicklung sprach und spricht). Die Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ des 13. Deutschen Bundestages integrierte durchgängig die drei Säulen Ökologie, Ökonomie und Soziales und schuf damit die Grundlage dafür, dass das „Nachhaltigkeitsdreieck“ eines der bekanntesten mentalen Modelle im Nachhaltigkeitdiskurs wurde.
Die Kommission formuliert u.a. Managementregeln als strategische Handlungsprinzipien in diesen Dimensionen, und nur dieser Teil des Konzepts soll hier ausführlicher wiedergegeben werden (siehe Kasten). Erste – damals noch alleine auf die Stoffstromwirtschaft bezogene – Managementregeln wurden bereits im Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ des 12. Deutschen Bundestages, 1994 formuliert. Der SRU (1994, S.10) formulierte das Vorsorgegebot, das unten bei der Ökologischen Dimension als Nr. 5 angeführt ist.
Den umfangreichsten Teil des Konzeptes bilden die exemplarischen Untersuchungen in den drei Handlungsfeldern Bodenversauerung, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Bauen und Wohnen. Zu jedem Handlungsfeld werden Hintergründe beschrieben, Leitbilder und Ziele dargestellt, eine Status- und Trendanalyse durchgeführt sowie Ziele, Strategien und Handlungsempfehlungen abgeleitet. Dabei werden stets die ökologische, die ökonomische und die soziale Dimension berücksichtigt.
Zudem befasst sich der Bericht mit dem Innovationsaspekt einer nachhaltigen Entwicklung.
Managementregeln für die ökologische Dimension (ebd., S. 46)
Managementregeln für die ökonomische Dimension (ebd., S. 48)
Managementregeln für die soziale Dimension (ebd., S. 51f)
Nach den bisher skizzierten Diskussionsbeiträgen von beratenden wissenschaftlichen bzw. politischen Gremien muss das Leitbild der Nachhaltigkeit letztlich (auch) in Regierungshandeln münden. Bereits auf der Konferenz von Rio wurde die Umsetzung der Agenda 21 in erster Linie als Aufgabe der Regierungen angesehen. Als eine „entscheidende Voraussetzung“ dafür wurden „politische Konzepte, Pläne, Leitsätze und Prozesse auf nationaler Ebene“ angesehen (Bundesumweltministerium 1992, S.9). Per Beschluss der UN-Sondervollversammlung von 1997 wurden die Unterzeichnerstaaten aufgefordert, ihre nationalen Nachhaltigkeitsstrategien spätestens 2002 fertig zu stellen.
Erste Schritte zur Erarbeitung einer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie wurden seit 1996 unter der damaligen Bundesumweltministerin Merkel unternommen. 1998 legte das Bundesumweltministerium ein umweltpolitisches Schwerpunktprogramm vor, das die Themenschwerpunkte Schutz der Erdatmosphäre, Schutz des Naturhaushalts, Ressourcenschonung, Schutz der menschlichen Gesundheit, umweltschonende Mobilität und Verankerung einer Umweltethik enthält. Es wurde allerdings vom Bundeskabinett nicht verabschiedet. (Bundesumweltministerium 1998, zur Diskussion dazu siehe SRU 2000, S. 99-105 und SRU 2002, S. 147-169).
Die Rot-Grüne Koalition nahm die Erarbeitung einer Nachhaltigkeitsstrategie in ihre Koalitionsvereinbarung auf. Im Jahr 2000 richtete sie einen Staatssekretärsausschuss für Nachhaltige Entwicklung sowie einen Rat für Nachhaltige Entwicklung ein. Ende 2001 legte der Staatssekretärsausschuss den Entwurf einer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie vor. Die Bundesregierung verabschiedete dann die nationale Nachhaltigkeitsstrategie unter dem Titel „Perspektiven für Deutschland“ im Jahr 2002. Obwohl die Bundesrepublik 1971 mit ihrem ersten Umweltprogramm noch eine Rolle als Vorreiter im internationalen Maßstab innehatte, gehörte sie damit zu den letzten Staaten, die eine Nachhaltigkeitsstrategie aufstellten (SRU 2000, S.21 und 89ff sowie SRU 2002, S. 28ff und 162ff).
Die nationale Nachhaltigkeitsstrategie enthält sieben Kapitel:
Grundregel
Jede Generation muss ihre Aufgaben selbst lösen und darf sie nicht den kommenden Generationen aufbürden. Sie muss zugleich Vorsorge für absehbare zukünftige Belastungen treffen. Das gilt für die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, für die wirtschaftliche Entwicklung sowie den sozialen Zusammenhalt und den demographischen Wandel.
Akteure
Bürgerinnen und Bürger, Produzenten und Verbraucher, Wirtschaft und Gewerkschaften, Wissenschaft, Kirchen und Verbände sind mit dem Staat wichtige Akteure der nachhaltigen Entwicklung. Sie sollten sich am öffentlichen Dialog über das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung beteiligen und sich eigenverantwortlich in ihren Entscheidungen und Maßnahmen an diesen Zielen orientieren.
Die Unternehmen tragen für ihre Produkte die Verantwortung. Dazu gehört die Information der Verbraucher über gesundheits- und umweltrelevante Eigenschaften der Produkte sowie über nachhaltige Produktionsweisen. Der Verbraucher trägt die Verantwortung für die Auswahl des Produkts sowie dessen sozial und ökologisch verträgliche Nutzung.
Handlungsbereiche
Erneuerbare Naturgüter (wie z.B. Holz oder Fischbestände) dürfen auf Dauer nur im Rahmen ihrer Fähigkeit zur Regeneration genutzt werden. Nicht erneuerbare Naturgüter (wie z.B. Mineralien oder fossile Energieträger) dürfen auf Dauer nur in dem Umfang genutzt werden, wie ihre Funktionen durch andere Materialien oder durch andere Energieträger ersetzt werden können. Die Freisetzung von Stoffen oder Energie darf auf Dauer nicht größer sein als die Anpassungsfähigkeit der Ökosysteme – z.B. des Klimas, der Wälder und der Ozeane.
Gefahren und unvermeidliche Risiken für die menschliche Gesundheit sind zu vermeiden.
Der durch technische Entwicklungen und den internationalen Wettbewerb ausgelöste Strukturwandel soll wirtschaftlich erfolgreich sowie ökologisch und sozial verträglich gestaltet werden. Zu diesem Zweck sind die Politikfelder so zu integrieren, dass wirtschaftliches Wachstum, hohe Beschäftigung, sozialer Zusammenhalt und Umweltschutz Hand in Hand gehen.
Energie- und Ressourcenverbrauch sowie die Verkehrsleistung müssen vom Wirtschaftswachstum entkoppelt werden. Zugleich ist anzustreben, dass der wachstumsbedingte Anstieg der Nachfrage nach Energie, Ressourcen und Verkehrsleistungen durch Effizienzgewinne mehr als kompensiert wird.
Auch die öffentlichen Haushalte sind der Generationengerechtigkeit verpflichtet. Bund, Länder und Kommunen sollen möglichst bald ausgeglichene Haushalte aufstellen und in einem weiteren Schritt kontinuierlich den Schuldenstand abbauen.
Eine nachhaltige Landwirtschaft muss natur- und umweltverträglich sein und die Anforderungen an eine artgerechte Tierhaltung und den vorsorgenden, insbesondere gesundheitlichen Verbraucherschutz beachten.
Um den sozialen Zusammenhalt zu stärken, sollen
Armut und sozialer Ausgrenzung soweit wie möglich vorgebeugt,
allen Bevölkerungsschichten Chancen eröffnet werden, sich an der wirtschaftlichen Entwicklung zu beteiligen
alle am gesellschaftlichen und politischen Leben teilhaben.
Die internationalen Rahmenbedingungen sind so zu gestalten, dass die Menschen in allen Ländern ein menschenwürdiges Leben nach ihren eigenen Vorstellungen führen und an den wirtschaftlichen Entwicklungen teilhaben können. Umwelt und Entwicklung bilden eine Einheit. In einem integrierten Ansatz soll die Bekämpfung der Armut
mit der Achtung der Menschenrechte,
mit wirtschaftlicher Entwicklung, Schutz der Umwelt sowie
verantwortlichem Regierungshandeln
verknüpft werden.“
Tabelle: Themenfelder und Schlüsselindikatoren der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie |
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Generationengerechtigkeit
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Lebensqualität
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Sozialer Zusammenhalt
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Internationale Verantwortung
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Der SRU (2002, S. 162-169) bewertet folgende Aspekte dieser Nachhaltigkeitsstrategie als positiv:
Gleichzeitig kritisiert der SRU (2002, S. 162-169) u.a. folgende Aspekte:
Die Bundesregierung will nicht nur die Ergebnisse, sondern auch die Strategie selbst regelmäßig überprüfen (Die Bundesregierung 2002, S. 326ff). Inzwischen wurden zwei derartige Berichte vorgelegt (Die Bundesregierung 2004 und 2005). Ein nächster Fortschrittbericht soll im Herbst 2008 erscheinen und sich den Schwerpunkten Klima- und Energiepolitik, nachhaltige Rohstoffwirtschaft sowie demografischer Wandels befassen (DNR/BUND/NABU 2007a).
Im April 2007 wurde der Indikatorenbericht 2006 Nachhaltige Entwicklung in Deutschland veröffentlicht (Statistisches Bundesamt 2007). In der klaren Sprache der Statistiker wird hier für jeden der 21 Indikatoren dargestellt, wie sich die Situation in den vergangenen Jahren (meist seit 1990) entwickelt hat, welcher Stand im Jahr 2006 erreicht ist und welcher Zielwert (in der Regel für das Jahr 2020) angestrebt wird. Entsprechend seiner Funktion als neutraler und unabhängiger Berichterstatter beschränkt sich das Statistische Bundesamt auf die statistische Analyse und verzichtet auf eine politische Bewertung. Eine Bewertung hingegen liefern DNR/BUND/NABU (2007b). Einige ausgewählte Sachverhalte sollen nachfolgend wiedergegeben werden; wenn Sie für Ihre Bildungsprojekte aktuelles Datenmaterial benötigen, sei Ihnen die Lektüre der Original-Dokumente ausdrücklich empfohlen.
Die beiden ersten Indikatoren der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie zielen auf den Ressourcenschutz: Die Energieproduktivität und die Ressourcenproduktivität sollen sich gegenüber den Ausgangspunkten (1990 bzw. 1994) bis zum Jahr 2020 verdoppeln.
Die Statistik weist aus, dass beide Parameter bereits um gut 30% gesteigert werden konnten (Statistisches Bundesamt 2007, S. 4-7). Dennoch sind wir von dem angestrebten Ziel noch weit entfernt; die Bemühungen – insbesondere der Bundesregierung – zur Zielerreichung müssten verschärft werden. Noch kritischer wird der Blick, wenn man – wie es das Statistische Bundesamt dankenswerter Weise macht – ergänzend die absoluten Zahlen mit in den Blick nimmt. Dabei wird deutlich, dass Wirtschafts- und Wohlstandswachstum die Effizienzgewinne weitgehend auffressen; der absolute Energieverbrauch hat sich im betrachteten Zeitraum nur um 3% verringert, die Rohstoffentnahme bzw. die Rohstoffimporte immerhin um 13%. Umweltziele, wie sie 1995 in der Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“ aufgestellt wurden, können damit auf absehbare Zeit nicht erreicht werden. Zudem ist den Umweltverbänden zuzustimmen, wenn sie kritisieren, dass die Bundesregierung in der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ihre Ziele in absoluten Zahlen hätte formulieren sollen (DNR/BUND/NABU 2007b, S. 2).
Rohstoffproduktivität
und Wirtschaftswachstum in Deutschland
(Statistisches
Bundesamt 2007, S. 4)
Beim Klimaschutz ist absehbar, dass die Bundesregierung ihr Ziel erreichen wird. Geplant ist eine Reduktion der Treibhausgasemission (sechs Gase des Kyoto-Protokolls, gemessen in CO2-Äquivalenten) bis 2010 auf 79% des Standes von 1990.
Treibhausgasemissionen
in Deutschland
(Statistisches Bundesamt 2007, S. 8)
Allerdings ist zu bezweifeln, ob dieses Ziel angesichts der drohenden Folgen des Klimawandels ausreicht; es bleibt jedenfalls weit hinter dem Ziel der Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“ zurück. Umweltpolitische Fortschritte sehen die Umweltverbände in der Förderung der energetischen Sanierung von Altbauten sowie (basierend auf Vorgaben der EU-Kommission) im Bereich des Emissionshandels. Ansonsten kritisieren sie, dass die Bundesregierung wichtige Hebel zur Verringerung der Emission von Treibhausgasen unbewegt lässt; Stichworte sind hierbei die Reduzierung des Spritverbrauchs von Kraftfahrzeugen durch die Automobilindustrie, eine drastische Steigerung der Kraft-Wärme-Kopplung oder verbindliche Verbrauchsstandards zur Verringerung des Stromverbrauchs. (DNR/BUND/NABU 2007b, S. 4).
Erfreulich ist die Entwicklung bei dem Ausbau der erneuerbaren Energien, welcher als Vorzeigeprojekt der Bundesregierung gelten kann. In der Nachhaltigkeitsstrategie war das Ziel formuliert worden, 12,5% des Stromverbrauchs im Jahr 2010 bzw. 20% im Jahr 2020 aus erneuerbaren Energien abzudecken. Das Ziel wird voraussichtlich deutlich übertroffen. (Statistisches Bundesamt 2007, S. 10-11)
Anteil erneuerbarer Energien am Energieverbrauch in Deutschland
(Statistisches Bundesamt 2007, S. 10)
Das Bundesumweltministerium (2008) präsentierte Anfang 2008 aktuelle Daten, nach denen das Ziel für das Jahr 2010 bereits im Jahr 2007 errreicht worden ist. Demnach wurden 2006 rund 11,5 Prozent und 2007 rund 14 Prozent des bundesdeutschen Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien gewonnen.
Um kommenden Generationen noch einen finanziellen Handlungsspielraum zu sichern, ist es dringend erforderlich, das Staatsdefizit abzubauen. Als Messlatte dienen hierbei die „Maastrichtkriterien“, nach denen die Neuverschuldung maximal 3% des Bruttoinlandsprodukts ausmachen soll. Diesen Wert hatte Deutschland 2002-2005 überschritten. Erst seit 2006 wird er wieder eingehalten, was grundsätzlich erfreulich ist. (Statistisches Bundesamt 2007, S. 16-17) Nichtsdestotrotz wurden auch im Jahr 2006 pro Einwohner ca. 480 € neue Schulden aufgenommen; die Staatsausgaben steigen weiter (ebd.); von einem ausgeglichenen Haushalt oder gar einem Abbau der angehäuften Staatsschulden ist Deutschland weit entfernt.
Staatsdefizit in Deutschland
(Statistisches Bundesamt 2007, S. 16)
Entwicklungen im Bildungssystem werden mit vier unterschiedlichen Indikatoren gemessen. Dabei hat sich die Bundesregierung im Themenfeld Generationengerechtigkeit drei Ziele gestellt:
25-jährige ohne Abschluss der Sekundarstufe II und ohne Ausbildungsplatz in
Deutschland
(Statistisches Bundesamt 2007, S. 22 )
Der Trend aller drei Indikatoren verläuft im Wesentlichen positiv. Allerdings ist die Geschwindigkeit der Entwicklung bei den beiden erstgenannten Indikatoren deutlich zu gering; diese beiden Ziele werden nur mit zusätzlichen Anstrengungen erreichbar sein. (Statistisches Bundesamt 2007, S. 22-27)
Zusätzlich wird im Themenfeld sozialer Zusammenhalt / Integration das Ziel verfolgt, den Anteil der ausländischen Schüler, die nicht wenigstens einen Hauptschulabschluss erreichen, deutlich zu reduzieren; er soll bis zum Jahr 2020 nicht mehr höher sein als bei deutschen Schülern, also auch bei 4,6% ankommen. Dieser Wert hat sich von 1996 (16,5%) bis 2005 (14,2%) allmählich verringert; die Entwicklung ist jedoch deutlich zu langsam, das angestrebte Ziel noch sehr weit entfernt und ohne erhebliche zusätzliche Anstrengungen nicht erreichbar. (Statistisches Bundesamt 2007, S. 22-27)
Diese vier Indikatoren lassen den Schluss zu, dass wir mit der Entwicklung des deutschen Bildungssystems an der Spitze (Abitur, Hochschule) erfolgreicher sind als am Ende (junge Menschen ohne Schulabschluss bzw. Berufsausbildung). Ein Fortschreiben dieser Entwicklung verschärft die Ungleichheit in der Gesellschaft.
Von den bereits getroffenen Einschätzungen zur Tauglichkeit der Indikatoren einmal abgesehen, zeigt der Indikatorenbericht einige begrüßenswerte Erfolge, aber auch viele Defizite der nachhaltigen Entwicklung in Deutschland. Es gibt erfolgreiche Vorzeigeprojekte, aber die breite Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie in der Tagespolitik, zumal in der für das Bildungssystem relevanten föderalen Struktur der Bundesrepublik, ist problematisch.
Der Arbeitsbereich "Agenda 21 und Bildung für nachhaltige Entwicklung" auf umweltschulen.de entstand in Kooperation mit dem Fernstudiengang Umwelt&Bildung der Universität Rostock.